Erste Passivhaus-Sanierung eines Wiener Gemeindebaus
Die Wohnhausanlage Hütteldorfer Straße 252 der Stadt Wien im 14. Wiener Gemeindebezirk ist das erste auf Passivhausstandard sanierte Gebäude der Stadt Wien. Mit der thermischen Sanierung wird der Heizwärmebedarf um rund 90% reduziert und der Wohnkomfort der Bewohner*innen erhöht.
PROJEKTLEITUNG: Treberspurg & Partner ZT GmbH > STECKBRIEF
Univ. Prof. Arch. DI Dr. Martin Treberspurg
Arch. DI Christian Wolfert
PROJEKTDETAILS
Die städtische Wohnhausanlage, die zu den vorrangigen Sanierungsvorhaben von Wiener Wohnen zählte, wurde aufgrund ihrer idealen topographischen Ausrichtung für ein innovatives Forschungsprojekt ausgewählt. Die Veränderung und der ökologische Anspruch wurde nach außen durch das multiaktive Fassadensystem (MaFa) an der Südfassade des an der Hütteldorfer Straße liegenden Bestandsgebäude sichtbar gemacht. Die Spiegelung der Glasfront lässt den gesamten Straßenraum heller und freundlicher wirken. Die Solarfassade beinhaltet neben der modernen Be- und Entlüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und den Passivhausfenstern auch die Photovoltaik für die Erzeugung von Solarstrom, wobei der Überschussstrom in das Gesamtstromnetz eingespeist wird. Mit der thermischen Sanierung wird der Heizwärmebedarf um rund 90% reduziert und gleichzeitig der Wohnkomfort der BewohnerInnen erhöht. Verglaste Loggien an der Hauptverkehrsstraße reduzieren den Lärm, während die Lüftungsanlage für frische Luft in den Innenräumen sorgt.
STÄDTEBAULICHER ASPEKT
Das Grundstück liegt im 14. Wiener Gemeidebezirk an der Ecke Hütteldorfer Straße und Ernst-Bergmann-Gasse. Die vom Architekten Stefan Karabiberoff im Jahr 1969 errichtete Wohnhausanlage ist in der Anordnung und Gliederung der Baukörper sowie deren Architektur typisch für den sachlich-nüchternen Wohnhausbau der späten 1960er-Jahre. Auf dem Grundstück stehen zwei Gebäude mit je 3 Stiegen. Die Hauptfassaden mit Loggien und Balkonen ist nach Südwest orientiert. Die Zugänge zu den Stiegen erfolgt von der Nordseite. Die Fassaden sind durch Fenster gerastert, wobei sich die Fenstergröße nach der Funktion der dahinter liegenden Räume richtet. Zwischen den Gebäuden befindet sich eine Gartenfläche mit Baumbestand. Der südliche Bauteil liegt direkt an der Hütteldorfer Straße mit hohem Verkehrsaufgebot durch Autos und Straßenbahnen und beinhaltet neben Wohnungen zwei Geschäftslokale. Der Baukörper ist südseitig durchgehend viergeschoßig und zur Nordseite aufgrund der Hanglage dreigeschoßig. Das ermöglicht die Nutzung des südlichen Kellergeschoßes als Wohn- und Geschäftsflächen, im nördlichen Teil des Kellers der zu zwei Drittel eingegraben ist sind die Einlagerungsräume und eine Waschküche untergebracht.
Der nördliche Bauteil, bestehend aus drei zueinander versetzten Gebäuden, liegt im viel ruhigeren Gartenbereich und hat drei- bzw. zwei Wohngeschoße.
INNOVATIVES FASSADENSYSTEM
70 % des europäischen Energieverbrauchs werden in Städten konsumiert. Davon ergehen etwa 40 % auf den Gebäudebestand zurück. Im Rahmen der europaweiten Forschungsinitiative EU GUGLE wurden kosteneffiziente und nachhaltige Sanierungslösungen für Wohnhäuser und ganze Grätzel unter unterschiedlichen klimatischen, ökonomischen und soziokulturellen Bedingungen erforscht. In der Hütteldorfer Straße 252 wurden all diese Aspekte vereint. Bei der ersten Passivhausanierung einer Wohnhausanlage der Stadt Wien wurde an der Südseite des Straßentraktes in gut sichtbarer Lage die Multi-Aktiv-Fassade zur Energiegewinnung anhand von Photovolatik (PV)-Elementen ausgeführt. Der Überschussstrom wird in das Gesamtstromnetz eingespeist. Das Fassadensystem wurde mit der Universität für Bodenkultur (BOKU) und dem gesamten Team bestehend aus Bauherr, Architekt, PV-Experten und ausführenden Firmen mit Fokus auf nachhaltige Lösungen entwickelt. Die MaFa ist eine Solarfassade aus einer teilvorgefertigten, hinterlüfteten Glasfront mit einer Kartonwabe, Wärmedämmung auf der Rückseite und wird von einer Holzkonstruktion getragen. Direkt in die Konstruktion integriert sind die Photovoltaik (PV) und eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Die Reduzierung des Heizenergiebedarfs auf Passivhaus-Niveau wird durch die Wärmedämmung und die Kartonwabe erreicht, welche durch das innovative Konzept passive solare Gewinne nutzen kann.
INTEGRATION DER SOLARTECHNIK IN DIE GEBÄUDEHÜLLE
Bei den Fassaden entschieden sich die Planer für die neu entwickelte, modular vorgefertigte Lösung der GAP Solutions GmbH. Die maßgefertigten semitransparenten Photovoltaik-Zellen sind zwischen zwei ESG-H Glasscheiben eingebettet, welche wiederum in das GAP-Element integriert sind. Die Energieerträge aus der BIPV (Building Integrated Photovoltaik) dienen der energetischen Versorgung der dezentralen kontrollierten Komfortlüftungen, die in der multifunktionalen Fassade integriert sind. Über Lithium-Ionen-Speicher wird PV-Energie gespeichert und während der Nachtstunden an die Geräte der Komfortlüftung abgegeben, welche von außen – also wohnungsunabhängig – angespeist werden. Durch ein intelligentes Energiemanagementsystems wird eine ausgeglichene Ganzjahresbilanz mit 100% Versorgung erreicht.
ARCHITEKTONISCHE QUALITÄT & MATERIALITÄT
Die Zusammenhänge von Architektur und Materialität kommen bei diesem Projekt besonders zu tragen. Die Materialität bezieht sich sowohl auf die technische als auch die ästhetische Ausbildung von Details. Die Ästhetik des Gebäudes wurde durch die neue moderne Fassadenkomposition aufgewertet. Durch den Einsatz von Glas an der Fassade erscheint der Stadtraum heller und freundlicher, auch die nordseitigen Wohnungen der gegenüberliegenden Straßenseite profitieren vom erhellten Stadtbild. Die PV-Module sind in zwei Reihen zwischen den Fenstern angeordnet und fließend in das GAP-System eingebunden. Durch die farbliche Abgrenzung der Module entsteht ein interessantes Gesamtbild der Fassade bzw. des Gebäudes. Die PV ist als Stromversorger vom Straßenraum klar ablesbar und kommuniziert das Thema „Energieeffizienz“ gekonnt den Vorbeifahrenden und Passanten. Die Erker wurden mit roten Kartonwaben (und Anschlusselementen) akzentuiert, ebenso der Geschäftsbereich in der Erdgeschoßzone. Die restlichen Waben wurden in einem dezenten Sandton gefärbt. Je nach Sonnenstand, Betrachtungswinkel und Entfernung von der Fassade variiert die Farbe aufgrund der Wabenstruktur. Beim frontalen Blick wirkt ein höherer Schwarzanteil während sich beim seitlichen Betrachten die Färbung der Kartonwabe stärker auswirkt.
NETZWERK & PARTNER
BAUHERRNVERTRETER: Stadt Wien – Wiener Wohnen
PROJEKTMANAGER: ÖBA: Stadt Wien – Wiener Wohnen Kundenservice GmbH
BAUMEISTER: Zinnrot Fassade & Malerei DI Wilhelm Sedlak GmbH
GU GLASFASSADE: Karl Mach Gesellschaft m.b.H.
GU DACH: Wanzmann GmbH & Co KG Dachdecker – Spengler – Zimmerer
AUSFÜHRUNG PV: ATB-Becker Photovoltaik GmbH
AUSFÜHRUNG SOLARWABENELEMENTE: GAP Solutions GmbH
AUSFÜHRUNG ELEKTRO: EMC elektromanagement & construction GmbH
FORSCHUNGSPROJEKT
Multi-Aktiv-Fassade – Ein Schritt zum Null-Energiegebäude in der Sanierung
Die Multi-Aktiv-Fassade vereint die Anforderungen an kurze Bauzeiten und hohe Effizienz durch ihr spezielles Design. Das Fassadenelement besteht aus einer vorgefertigten, hinterlüfteten Glasfront mit einer Kartonwabe inklusive Wärmedämmung auf der Rückseite. Photovoltaik und Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung sind direkt in die Konstruktion integriert. Die Reduzierung des Heizenergiebedarfs auf Passivhaus-Niveau wird durch die Wärmedämmung und die Kartonwabe erreicht, welche durch das innovative Konzept passive solare Gewinne nutzen kann.
In der Hütteldorfer Straße 252 wird die erste Sanierung auf den Passivhausstandard im sozialen Wohnbau der Stadt Wien durchgeführt. Die innovativen Maßnahmen, die hier angewendet und demonstriert werden, sind durch die EU gefördert. Bei der verwendeten Solarfassade wird eine vorgefertigte Glasfassade mit integrierter semitransparenter Photovoltaik eingesetzt. Die Fassade besteht aus einer Kartonwabe auf der Rückseite, einer hinterlüfteten Außenschicht aus Glas und wird von einer Holzkonstruktion getragen. Die Kartonwabe erhöht im Winter die solaren Erträge, da die Sonnenstrahlen tief in den Aufbau eindringen können und sie reduziert im Sommer den Wärmeeintrag, da die Sonnenstrahlen durch den steileren Sonnenwinkel nicht tief in die Konstruktion eindringen können. Durch die intelligente Konstruktion, kann der Solarertrag des Gebäudes optimal genutzt werden. Die Photovoltaik-Module nutzen zudem die Sonnenenergie aktiv und stellen die Energie zur Verfügung, welche zum Betrieb der ebenfalls in die Fassade integrierten Lüftungsanlage mit Wärmrückgewinnung notwendig ist. Diese, in dieser Kombination zum ersten Mal umgesetzten Maßnahmen, steigern den Komfort der Mieter, da sie neben der Passivhaushülle auch von einer Reduzierung der Lärmbelastung profitieren und sie reduzieren die Betriebskosten des Gebäudes.
QUELLE: https://www.treberspurg.com/projekt/huetteldorfer-strasse-252
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